Die SPD Wuppertal hatte eingeladen und viele Interessierte waren am Dienstagabend in die Citykirche Elberfeld gekommen, um über die Situation an unseren Schulen zu diskutieren. Der eklatante Lehr- und Fachkräftemangel, marode Schulgebäude, chronische Unterfinanzierung, Sanierungsstau in Milliardenhöhe, weitreichende Leistungsdefizite in den Kernkompetenzen bei unseren Schülerinnen und Schülern. Dies zeigt ganz deutlich: Unser Bildungssystem ist auf Kante genäht, die Beschäftigten im Schulsystem sind am Limit und die Schulen können letztlich ihren Bildungsauftrag nicht mehr hinreichend erfüllen. Der Mangel, der an allen Schulen tagtäglich spürbar ist, erschwert eine qualitätsvolle Bildung und vertieft die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft. Dies war für die SPD Anlass genug, mit Experten über Wege aus der Bildungskatastrophe zu diskutieren.
Auf dem Podium Prof. Christian Huber vom Institut für Bildungsforschung an der Bergischen Universität, Richard Voss, Vorsitzender der GEW Wuppertal, Torhan Gülderen, Lehramtsstudent an der BUW und zugleich Vertretungslehrer, sowie Dilek Engin, Wuppertaler Landtagsabgeordnete und schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Die Runde moderierte der Wuppertaler SPD-Vorsitzende Servet Köksal.
Der Schwerpunkt des Abends war die Frage, mit welchen Strategien und Maßnahmen man vor allem dem schon seit Jahren spürbaren Mangel an Lehrkräften entgegenwirken kann. Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen fast 7.000 Lehrkräfte und viele Schulleitungspositionen sind unbesetzt. Der bekannte Bildungsforscher Klaus Klemm prognostiziert ab 2030 bundesweit gar einen Lehrkräftemangel von weit über 150.000 unbesetzten Stellen. Dies sind alarmierende Zahlen, die verdeutlichen, in welcher prekären Lage sich unser Bildungssystem befindet.
„Bildung entscheidet über die Zukunftschancen unserer Kinder und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, daher ist es unverantwortlich, wenn wir nicht endlich ganz entschieden gegen die Missstände in unserem Schulsystem mit aller Kraft angehen“, so Engin, direkt zu Beginn der Diskussionsrunde. Prof. Huber unterstrich, dass man neue Wege in der Lehrkräfteausbildung gehen müsse, um mehr Studierende für das Lehramt zu begeistern. Etwa brauche es mehr Praxiselemente, wozu insbesondere auch die Möglichkeit von dualen Lehramtsstudiengängen gehöre. Ebenso müsse man über die Entschlackung der Lehrpläne und neue Unterrichts- und Prüfungsformate nachdenken. Voss unterstrich, dass die Lehrkräfte auch durch andere Fachkräfte wie Schulsozialarbeiter, Psychologen und Verwaltungsassistenzen unterstützt werden müssten, damit sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe, dem Unterricht und die Förderung der Kinder, konzentrieren könnten. Das heutige Schulsystem sei in seinen Herausforderungen wesentlich komplexer geworden als noch vor Jahren. Dem müsse Rechnung nicht zuletzt durch multiprofessionelle Teams getragen werden. Der Lehramtsstudent Torhan Gülderen, der zugleich Vertretungslehrer an einer Gesamtschule ist, betonte, dass der Praxisschock für viele Lehramtsstudierende oft sehr groß sei und man mehr fachkundige Anleitung und Unterstützung benötige. Auch seien die Praxissemester finanziell abzusichern, da man in dieser Zeit keiner erwerbsmäßigen Nebentätigkeit nachgehen könne.
Engin betonte, dass man auch den Quer -und Seiteneinstieg für andere Hochschulabsolventen ins Lehramt vereinfachen müsse. Zudem machte Engin immer wieder deutlich, dass die Reform unseres Bildungssystem, ganz vorne auf der politischen Handlungsagenda platziert werden muss. Die Gewährleistung eines leistungsfähigen Bildungssystem müsse oberste Priorität erhalten. Dazu gehörten auch entschieden mehr finanzielle Ressourcen ins System. Denn halbherzig, so Engin, komme man in der Bildungspolitik nicht weiter.
Köksal bilanzierte am Ende des Abends, dass die lange Liste an Lösungswegen aufzeige, dass der Lehrkräftemangel deutlich reduziert werden kann. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen sei davon abhängig, ob die Landesregierung entschlossen genug ist gegenzulenken, um die Zukunftsfähigkeit unseres Schulsystems und somit unserer Gesellschaft herzustellen.